In einer zweiteiligen Dokumentation wird es um "Lust und Laster" in Deutschland gehen. sind Nacktheit und Sex allgegenwärtig, wird doch jeder Art von Lust Geschäfte gemacht. Verbote und Grenzen, denen unsere Eltern und Großeltern aufgewachsen sind, kennt die Jugend heute nicht mehr. Was früher "Unzucht" hieß, gehört in den Zeiten des Internets zu den eher harmlosen Dingen. Heute ist allen alles verfügbar.
Doch das war nicht immer so.
Teil 1 - Vom Kaiserreich bis zur braunen Diktatur
Im Kaiserreich ist der Staat voll gestopft mit Verboten und Regeln. Vor allem nach außen muss der Schein gewahrt werden. So wundert es wenig, dass jene, die am Tage als Beamte oder Abgeordnete gegen das Laster polemisierten, zu dunkler Stunde selbst in den Lasterhöhlen anzutreffen waren. Die Doppelmoral hat eine lange Tradition in Deutschland. Die Prostitution wird geächtet, obwohl sie schon zur Kaiserreich eine viel genutzte Dienstleistung war. Es gab aber zu allen Zeiten auch die Renitenten, die sich nicht um die hehren Gesetze der Moral scherten. Schon kurz nach der Erfindung von Fotografie und Film tauchten bereits die ersten erotischen und pornografischen Darstellungen auf. In den goldenen Zwanziger Jahren werden viele Verbote und Regeln über den Haufen geworfen. Berlin wird die "Hauptstadt des Lasters". Und trotz Paragraf 175 entwickelte sich in Berlin eine bunte homosexuelle Szene. Über 150 Cafés und Vergnügungslokale soll es speziell für Schwule und Lesben gegeben haben. Jene Jahre werden auch die Hochzeit der lesbischen Kultur. Die Frauen organisierten sich in Vereinen wie "Die lustige Neun", der als Kegelverein getarnt stadtbekannte Bälle organisierte. Aber auch diese Zeit hat ihren normalen Alltag mit seinen Geboten und dem unvermeidlichen deutschen Ordnungssinn. Dafür steht der so genannte Zwickelerlass von 1932. Das neue Gesetz über Bademoden schreibt vor, dass n Familienbädern Männer sogar einen Badeanzug tragen sollen. Da die Herren auch zu einem Zwickel im Schritt verdonnert werden, spricht der Volksmund respektlos vom "Zwickelerlass". Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird die Doppelmoral eine ganz andere Blüte in Deutschland erleben. Niedere Instinkte bleiben, krude Ideologien kommen hinzu. Prostituierte werden als "asoziale Elemente" eingestuft und nicht selten verhaftet. Bald machen die Nazis einen Rückzieher und versuchen die Huren zu kontrollieren und für ihre Zwecke einzusetzen. Auf St. Pauli in der Herbertstraße lassen jeweils an den Enden Sichtblenden anbringen. Da ein Verbot der Prostitution auf St. Pauli nicht durchzusetzen ist, gestatten sie das Gewerbe nur in dieser Straße. Aber wenigstens versteckt soll das Laster sein. Die Sichtblenden existieren bis heute.
Die Nazis verschärfen den Paragrafen 175 noch einmal. Schon ein Kuss oder ein Blickkontakt können 5 Jahre Gefängnis bedeuten. Für viele Homosexuelle ist das ein Todesurteil.
Später wird SS-Chef Himmler die Homosexuellen in KZs verschleppen lassen. Nur eine freiwillige Kastration kann dies verhindern. Und dann macht in den 40er Jahre ein Gerücht die Runde. mittleren NS-Beamten in Auftrag gegeben, sollten mit pornografischen Filmen Devisen in Skandinavien erwirtschaftet werden. Pornos für die Kriegskasse sozusagen. Die so genannten "Sachsenwaldfilme" sind noch einmal ein Beleg für die Doppelmoral der Nationalsozialisten.
In dieser Dokumentation werden fiktive Zeitzeugen auftauchen, die also nicht "echt" sind, die es aber durchaus so gelebt haben könnten. Die Prostituierte Amalie zum Beispiel, die über die Doppelmoral im Kaiserreich erzählt. Oder der Fotograf Fritz, der heimlich pornografische Fotos schießt. Diese Personen sind fiktiv, aber ihre Geschichten könnten sich so zugetragen haben. Denn die meisten begründen sich auf Berichte und Erzählungen aus jener Zeit.
Teil 2 - Im geteilten Deutschland
Die beiden deutschen Staaten entwickeln sich in den 50er politisch auseinander, aber im Alltag und auch in den Moralauffassungen gibt es noch viele Ähnlichkeiten. Während sich im Osten die allwissende Partei als Moralwächter aufspielte, übernahm diese Rolle im Westen die Kirche. Dort wurde durch die 68er Revolte der alte Mief aus der Bundesrepublik gekehrt.
Neue Lebensformen wurden ausprobiert, freie Liebe propagiert. Die Ideen von Gruppensex und Partnerwechsel fanden Eingang in die studentischen Diskurse. Die Losung der Stunde: "Wer einmal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment". Eine wahre Sexwelle rollte über das Land. Lust und Laster wurden öffentlich. Als 1975 der Paragraf 184 geändert und somit die Herstellung von Pornografie in der alten BRD erlaubt wurde, befürchteten nicht wenige, dass dies zu einer Verrohung der Gesellschaft führen würde. Aber Verbote auf dem Gebiet der "Unzucht" haben nie die gewünschte Wirkung erzielt.
In der DDR fand vieles im Verborgenen statt. Die Prostitution war zwar seit 1968 verboten, wurde aber in schicken Hotel oder schäbigen Straßen praktiziert. Zur Leipziger Messe war die sächsische Metropole Hauptstadt des DDR-Rotlichtmilieus. Die Hobby-Huren kamen aus der ganzen Republik, um sich die begehrten westdeutschen Händler zu angeln. Staat und Stasi ließen Huren und Freier gewähren. Auch weil die Damen durch den Gesetzesbruch leicht erpressbar waren.
Auch Pornografisches wurde geschmuggelt, kopiert und weitergereicht. Wer die richtigen Leute kannte, musste sich in der DDR nicht mit der Nackten im "Magazin" begnügen. Selbst pornografische Eigenproduktionen entstanden, darunter richtige Perlen der Filmkunst, wie ein derb erotischer Trickfilm mit Knetfiguren. Ende der 70er Jahre gelang den Sicherheitsorganen ein großer Coup. Sie hebelten einen ganzen Pornoring aus. 2000 Pornofreunde werden von der Staatssicherheit dingfest gemacht. Doch die Ermittlungen verlaufen im Sande. Denn unter den Angeklagten befanden Funktionäre, Mitarbeiter des MfS oder der VP. Ein Schock für die Organe, die Schmuddelkinder sind unter ihnen.
Auf dem Gebiet des Lasters verlief die Vereinigung geradezu reibungslos. Millionen DDR-Bürger strömten in den Westen. Mit dabei die Neugier auf alles bisher Verbotene. Jetzt werden die Neudeutschen nicht nur die Supermärkte stürmen. Sie wollen auch die neuen Verlockungen des Geschäfts mit dem Laster kennen lernen.
Auch in dieser Dokumentation sollen fiktive Zeitzeugen auftreten. Die Hamburger Prostituierte Marie zum Beispiel oder ihre Leipziger "Kollegin" Ramona. Der Fernfahrer Hermann schmuggelt Pornografisches über die dänische Grenze. Und der VP-Wachmann Alfred wundert sich über die Nachsicht der Organe gegenüber dem DDR-Pornoring. Unsere Gesprächspartner sind fiktiv, ihre Geschichten aber sind real und zumeist durch Berichte oder Dokumente belegt.
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