ARD – Geschichte am Mittwoch
45 min
Autorin: Christine Rütten, Lutz Rentner
Redaktion: Esther Schapira
In Babi Jar ermorden deutsche Einsatztruppen innerhalb von 36 Stunden 33771 Juden aus Kiev. Es ist die größte Massenerschießung des Zweiten Weltkrieges.
„Der vergessene Holocaust“, so nennt Patrick Dubois diese unvorstellbaren Verbrechen in seinem Buch, in dem er über mehr als 500 erst vor kurzer Zeit entdeckte Massengräber - allein in der Ukraine - berichtet. Orte, an denen Deutsche begannen, systematisch alles jüdische Leben in Osteuropa zu vernichten. Insgesamt wurden in der Ukraine nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Sommer 1941 1,5 Millionen Juden ermordet.
„Wohin man auch sah, überall war Grün, Sonne und frische Luft. All das gab es auch an diesem Tag, der für die Juden der Stadt der letzte Tag wurde.“ erinnert sich Schtein Ruwim.
Er ist damals 15 Jahre alt, ein jüdischer Junge, dessen Mutter und Schwester diesen Tag nicht überleben werden.
Im Einsatzbericht vom 7. Oktober 1941 wird es kurze später heißen:„In Zusammenarbeit mit dem Gruppenstab und zwei Bataillons des Polizeiregiments „Süd“ hat das Sonderkommando 4a am 29. und 30. September 1941 33771 Juden hingerichtet. Die Aktion wurde störungsfrei durchgeführt.“
Am 19. September marschiert die Wehrmacht in Kiew ein. Nach Anschlägen, bei denen deutsche Soldaten sterben, wird der Ausnahmezustand verhängt. Es beginnen Vergeltungsaktionen, Wehrmachts- und SS-Offizieren fangen an, die Ermordung der Kiewer Juden zu planen. Wehrmacht und Einsatzgruppen arbeiten dabei eng zusammen – unterstützt auch vom Bremer Polizeibataillon 303. Franz Falter ist Kommandeur der Dritten Kompanie. Oberbefehlshaber der Wehrmacht vor Ort ist Generalfeldmarschall von Reichenau. Er ordnet die Kennzeichnung und Registrierung der Juden und ihrer Wohnsitze an, Voraussetzung für den als „ Evakuierungsaktion“ getarnten Massenmord.
Auf über 2000 Aushängen in der Stadt wird den jüdischen Bürgern mitgeteilt, dass sie sich am 29. September am Lukjanowski-Friedhof zu versammeln haben. Wer nicht erscheint, soll erschossen werden.
Auch die Familie von Schtein Ruwim folgt dieser Aufforderung: „Der Menschenstrom zog sich vom frühen Morgen an durch die Straßen. … Manche glaubten, wir kämen ins Ghetto, andere sagten, nach Palästina. Als welche erzählten, wir würden erschossen, meinte meine Mutter, dass sie so viele unschuldige Menschen gar nicht erschießen könnten – Alte, Kinder und Frauen.“
Ein Wehrmachtssoldat wird sich später erinnern: Als wir nach den Erschießungen an der Schlucht vorbeikamen, bewegte sich die Erde wie Wellen auf einem See. Ich vermute, es waren noch nicht alle Opfer tot. Diesen Anblick werde ich nie vergessen.“ |